Inhaltsübersicht
Wer sich bereits einmal mit dem Thema Produkte-Fotografie auseinandergesetzt hat, weiß, dass es dabei mehrere Schwierigkeitsstufen gibt. Während simple Figuren oder matte Gegenstände relativ einfach auszuleuchten sind, gibt es Objekte, welche doch eine deutlich größere Herausforderung darstellen. Vor kurzem stand ich vor der Herausforderung, Weinflaschen zu fotografieren – hier zeige ich euch, welche Probleme sich mir stellten und wie ich mit diesen umging.
Die Weinflasche ist eines der unfotogensten Objekte, das mir bisher vor die Linse kam – vor allem Rotweinflaschen.
Die Probleme, die sich stellen, sind:
- Die Form: Dadurch, dass die Flasche zylindrisch ist und gegen den Flaschenhals hin sogar noch eine zusätzliche, schräge Ebene hinzukommt, ist es so gut wie unmöglich, zu verhindern, dass ungewollte helle Umgebungsbereiche wie Fenster, Blitze oder gar die Kamera (mitsamt dem Fotografen) ins Bild gelangen.
- Die Oberfläche: Glas hat die schöne visuelle Eigenschaft, zu glänzen. Für den Konsumenten mag dies zwar ansprechend sein, für den Fotografen bedeutet es jedoch, dass (so gut wie) alles, was um die Flasche herum ist, reflektiert wird.
- Die Farbe: Gerade Flaschen mit Rotwein sind besonders anspruchsvoll zu fotografieren, da die dunkle, fast schwarz wirkende Farbe den Kontrast zu den umliegenden Lichtquellen deutlich verstärkt und diese noch mehr hervortreten lässt.
Lösung Teil 1: Ein „do-it-yourself“ Lichtzelt
Aufgrund der auftretenden Probleme mit den Reflexionen der Umgebung gilt es, von der richtigen Beleuchtung einmal abgesehen, die Umgebung ideal herzurichten. Dies bedeutet, die Weinflasche möglichst stark zu isolieren und so viel von der Umgebung wie möglich „auszublenden“. Eine vielversprechende Methode dafür ist die Verwendung eines Lichtzelts. Wer möglichst wenig Geld dafür ausgeben möchte, kann dieses relativ leicht selbst basteln.
Anleitungen dafür gibt es mittlerweile so viele, dass ich an dieser Stelle nicht genauer darauf eingehen möchte. Das Ergebnis sieht zwar nicht sehr professionell aus, erfüllt seine Funktion jedoch einwandfrei.
Lösung Teil 2: Die richtige Beleuchtung
Das Wichtigste gleich vorneweg: Es wird sich nicht vermeiden lassen, dass die Lichtquelle auf dem Foto zu sehen ist. Dieses Wissen wirkt sich direkt auf die Wahl der Belichtung aus. Wer sich zur Inspiration vor dem Shooting die Werke von Profis anschaut, wird sehen, dass eine Softbox im Normalfall das bevorzugte Mittel zum Ausleuchten der Szenerie ist. Gut erkennbar ist dies an den Reflexionen (weiße Quadrate), die bei einer kurzen Google-Bildersuche in so gut wie allen Beispielen zu sehen sind.
Auch ich benutze meine zwei relativ günstigen Studioblitze (wie z.B. Walimex Pro Newcomer 300) mit 45x45cm Softboxen. Eine Anschaffung, welche sich für mich allemal gelohnt hat. Doch auch hier gibt es im Netz unzählige Anleitungen, um für noch günstigere Systemblitze Softboxen selbst zu bauen.
Richtiger Einsatz des Lichts
Wenn die Wahl der Lichtquelle getroffen ist, geht es darum, diese richtig einzusetzen. Die wesentlichen Faktoren sind dabei
- kameraseitig: Verschlusszeit und Blende
- blitzseitig: Die Entfernung zum Objekt sowie
- die Stärke des Blitzes (mein Modell ist regulierbar von 1/1 bis 1/16).
Um möglichst ausgeglichenes Licht zu erhalten, stellte ich beide Blitze seitlich parallel zum Lichtzelt auf, sodass von beiden Seiten Licht im selben Winkel auf die Flasche traf, wobei der rechte direkt am Lichtzelt stand und der Linke ca. 50cm entfernt. Die Blende der Kamera war mit F/20 relativ weit geschlossen. Dies, um sämtliches Umgebungslicht auszublenden und möglichst nur das Licht der Blitze einzufangen. So ergab sich eine ausgewogene Beleuchtung der Flasche ohne störendes Hintergrundlicht oder Reflexionen.
Die Nachbearbeitung
Die Nachbearbeitung versuchte ich minimal zu halten und nur Kontrast und Schärfe zu bearbeiten. Dazu stellte ich die Flasche vom Hintergrund frei. Für ein optimales Ergebnis widmete ich mich in Photoshop ein wenig der Reflexion der rechten Softbox und fügte einen Schatten ein.
Mein Fazit
Das Thema Weinflaschen fotografieren ist eine ziemliche Herausforderung, gerade für Fotografen mit beschränktem Budget. Mit etwas Engagement in der „Heimwerker-Abteilung“ und genügend Zeit, um nach dem „Trial and Error“-Prinzip zu arbeiten, sind jedoch auch so schöne Ergebnisse möglich, die sich vor in professionellen Studios erstellten Aufnahmen nicht verstecken müssen. Probiert es aus!
Persönliche Info zum Autor
Ivan Reinhold lebt und arbeitet in Zürich. Als Grafiker/Freelancer und Hobby-Fotograf befasst er sich tagtäglich mit Bildern und deren Bearbeitung.
Zudem hat einige sehr sehenswerte Pinwände auf Pinterest.
Mein Kommentar dazu
Als Ivan mich angesprochen hat, ob ich nicht Lust hätte seinen Beitrag zu veröffentlichen, fand ich sein Ergebnis sehr beeindruckend. Ich selbst bin schon oft an Flaschen „gescheitert“. Sogar an Flaschen, die nicht aus Glas sind! Die Idee von Ihm muss ich also demnächst mal testen! Allerdings werde ich seine Idee noch weiter ausweiten:
- Unter der Flasche werde ich eine Glasplatte legen, die von oben glänzend und von unten mattiert ist. Das erübrigt die gefakte Schattierung und vermeidet Doppelschatten.
- Ich werden nicht nur seitlich, sondern auch von hinten blitzen. Das Ergebnis wird eine Highkey Aufnahme der Flasche sein. Das erübrigt dann die mühsame Freistellung per Photoshop.
- Ich werde noch etwas mit farbigen Folien herumexperementieren.
Ich bin schon auf meine Ergebnisse gespannt! Danke Ivan für den Anreiz!