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Die Tage wurde ein altes Foto von der Großbaustelle Halle Silberhöhe auf Facebook gepostet. Ein wirklich phantastisches Zeitzeugnis in Farbe. Diese wahrscheinlich im Jahr 1981 entstandene Aufnahme verdient es, mehr als nur ein wenig beachtetes Dasein in den sozialen Netzwerken zu fristen.
Ich veröffentliche dies jetzt einfach mal hier, auch wenn nicht weiß, wer der Fotograf ist und ob er/ sie das in Ordnung findet.
Der Post des Bildes auf Facebook war, wie sich herausstellte, spiegelverkehrt und somit zuerst auch gar nicht so leicht dem korrektem Aufnahmeort und der -zeit zuordbar. Erste Kommentare datierten das Bild auf 1972, was natürlich viel zu früh wäre. Zu dieser Zeit war das Gebiet eine Brache mit wenigen Baracken und hauptsächlich landwirtschaftlich genutzt.
Wo wurde das Bild wann aufgenommen?
Ich habe es mir alles näher angeschaut, es mit Kartenmaterialien verglichen und versucht es zu verorten. Ich habe es zurück gespiegelt, es digital aufbereitet und letztendlich auch lokalisiert. Ich hoffe alles ist korrekt. Falls nicht, dann gebt mir und den Lesern bitte weitere Infos in den Kommentaren.
Das Bild in einer großen Auflösung und für die heutige Zeit nachbearbeitet findet ihr hier: Großbaustelle Halle-Silberhöhe 1981.
Was ist hier auf der Großbaustelle von 1981 auf der Silberhöhe zu sehen?
1. Links auf dem Foto stehen die 60er Jahre Wohnhäuser in der Brühlstraße und deren Balkone zeigen nach Westen – also hin zum Fotografen. Die Straßenbahn führt heute davor entlang, was auch in etwa dem erkennbaren Weg entspricht. Hinweis: In der Veröffentlichung wurde das Bild deutlich anders verortet, was aber der Ausrichtung der Balkone widerspricht.
2. Ganz rechts die Gartenanlage (heute: Kleingartenverein „Silberhöhe“ e.V.) und dahinter der Hochspannungsmast, welcher noch immer an diesem Platz steht.
3. In dem Versorgungsschacht im Vordergrund verlaufen Heizungsrohre und Kabel. Diese Untergrundversorgung zieht sich als Rundkurs einmal durch die halbe Silberhöhe, was zu Ostzeiten ein beliebter „Spielpatz“ unser Clique war. Entlang der Hanoier und Ecke Coimbraer Straße ist das hier auf dem Foto gut zu sehen, wie diese bestimmt 2-3 Meter hohen Kanäle bereits vor der Errichtung der Wohnblöcke entstanden sind.
4. Das, was man bei dem blauen Kran und rechts davon als Straße bereits erkennen kann, gleicht eins-zu-eins dem heutigen Verlauf der Coimbraer Straße. Das fand ich extrem spannend und ist auf Kartenansichten, wie bei Bing, echt gut nachzuvollziehen. Spannend, das der Straßenverlauf an dieser Stelle so beibehalten werden konnte.
5. Die Baracke in der Bildmitte dürfte irgendwo im Bereich Hanoier Straße 30 und 42 gestanden haben. Dort ist heute ein kleiner Fußballplatz, was zu DDR-Zeiten bereits „unser“ Bolzplatz war. Ganz klassisch mit Sportbeuteln als Torpfosten und einem Untergrund der minimal weicher war als Beton.
6. Ich bin im Frühjahr 1982 in die Hanoier Straße 35 gezogen. In etwa dort, wo auf dem Foto ein orangefarbenes Baufahrzeug bzw. das Stück Grün in der Mitte des Bildes erahnbar ist. Direkt gegenüber der beiden 60er Jahre Wohnhäuser wurde demnach ungefähr im März 1982 der 11-Geschosser mit seinen beiden Eingängen fertiggestellt. Die Hausnummer 36 war da noch im Entstehen und die umliegenden 5-Geschosser waren ebenfalls noch im Bau.
Im Hintergrund sind Überschwemmungen in der Saaleaue zu sehen. Die Vegetation ist grün. Für mich ein Anzeigen, dass die Aufnahme im Frühjahr entstanden sein könnte. Jedoch: Ein Jahr Bauzeit für „meinen Block“ – das erscheint mir fast zu lang. Und wenige Wochen, um den Zeitpunkt auf das Frühjahr 1982 zu datieren, scheint mir zu kurz für den Bau. Konnte es im Herbst 1981 zu diesen Überschwemmungen gekommen sein?
Bei dem damaligen Bautempo ist das Foto 1981 entstanden.
Vielleicht wurde es aus einem der Hochhäuser südwestlich der Schule im den eistelligen Hausnummerbereichen der Hanoier Straße gemacht. Vielleicht aber auch aus einem der Baukräne, die hier damals überall die Wohnblöcke hochzogen.
Wie war das damals?
Für uns Kinder war das alles total spannend und überall schlummerten Abenteuer. Eigentlich war die ganze Silberhöhe oberhalb und unterhalb ein Abenteuerspielplatz.
Sei es der bis nach der Wende existierende Dreck- bzw. Erdberg in der Hanoier Straße am Rundblock, der heute Spielplatz Grünzug heißt. Es waren einfach nur Überreste vom Aushub und bestenfalls Muttererde, die uns Kinder als Rodelberg im Winter dienten oder sonst zum Bau von Buden ausreichend Platz boten. Das Baumaterial war ja vorhanden. Paletten, Bretter, Folien und andere Überbleibsel vom Häuserbau lagen genug herum, sodass Abenteuerbehausungen schnell errichtet waren. Leider wurden diese auch schnell wieder von Anwohnern zerstört, die sich davon gestört fühlten. Aber der gemeinschaftliche Aufbau der „Pioniergruppe Sowieso“ lief stets reibungslos ;)
Das galt auch für Bolzplätze, die teils sogar Ausrichtungsturniere ganzer Kindermeistermeisterschaft im Fußball ausreichend Möglichkeiten boten. Klar waren die Tore nur Sportbeutel und die Mannschaften nicht immer ausgewogen. Aber es war geil :)
Auch die Weihnachtszeit war klasse. Kurz nach Silvester wurden massig Tannenbäume direkt aus den Wohnungen entsorgt und lagen Wochenlang zum Budenbau herum. Eine Entsorgung hierfür gab es wohl damals nicht.
Spannend waren auch massig Schweißdrähte, die sich als Degen nutzen ließen. Unvorstellbar heutzutage, aber in den 1980ern wurden kaum Augen damit ausgestochen. Zumindest ist mir kein Vorfall dazu auf der Silberhöhe bekannt.
Auch ein Abenteuer die noch nicht fertigen Gebäude. Dort ließ es sich auf Kräne klettern und eine Erstbesteigung des jeweiligen Daches organisieren. Was hätte ich heute für Panik, wenn meine Kids das täten. Aber damals fanden wir es „cool“, manch Mutprobe hier zu wagen.
Eine Straßenbahn gab es anfangs auch noch nicht. Nur der Bus am heutigen Anhalter Platz, etwas südlich der Ludwig-Bethcke-Straße, brachte im Pendelverkehr die Menschen zur Wendeschleife Südstadt am heutigen Südstadtring. Das war die Hauptverbindung zur Innenstadt von Halle. Wirklich befestigte Fußwege dort hin gab es natürlich auch eher selten. Krass, was man damals so hingenommen hat.
Weiter oben habe ich den Versorgungsschacht erwähnt. Das war irgendwann der beste Spielplatz. Ein großer Tunnel aus Rohren und Kabeln, der unter der ganzen Silberhöhe hinweg führte. Mehrere Einstiege und zentrale Knotenpunkte waren überall verteilt. Und überall war die Gefahr erwischt zu werden – phantastisch. Das war sogar Klassenausflüge wert …
Etwas anders lief das über die „normalen“ Kanäle. Hier ließ es sich häufig über einen Kanaleistieg hinab rutschen und in einen Verteilerraum gelangen. Noch so ein kleiner Abenteuerspielpaltz, den es so heute nicht mehr gäbe!
Ich finde diese alten Bilder sehr spannend. Oft sind es reine Schnappschüsse, aber Jahre später zeigen sie einen authentischen Ausschnitt der damaligen Zeit!
Danke für das Teilen und deine Gedanken dazu!
Ärgert mich so sehr, dass ich selbst kaum Bilder aus diesen Zeiten habe.