Jeder Fotograf kommt irgendwann mal nicht drum rum sich diese Frage zu stellen. Auf der Suche nach Antworten in einschlägigen Foren und unter Berücksichtigung sonstiger Meinungen wird die klare Antwort sicherlich für RAW ausfallen. Wenn ich mir aber meinen RAW Workflow mal genauer ansehe, stellen sich bei mir langsam Zweifel ein, ob RAW denn wirklich das non-plus-ultra ist. Habe ich mich als Anfänger noch super darüber gefreut, dass ich durch die RAW Verarbeitung fast jeden Fehler aus meinen Bildern bannen kann, frage ich mich langsam was mir RAW heute noch bietet. [TOC]
pro RAW
Mit RAW habe ich quasi immer einen Fallschirm dabei. Jedes Foto hat eine gewisse Pufferzone in der ich die Verarbeitung nicht der Kamera überlasse sondern in einem gewissen Rahmen frei beeinflussen kann. Habe ich während der Aufnahme ein Bild versaut bekomme ich dennoch meinen Lohn weil ich das Bild noch retten konnte. Das Beste Beispiel ist ein verfälschter Weißabgleich. Während ich semi-kommerziell Fotografiert habe, war ich irgendwie immer im Stress. Da hat sich der Weißabgleich gerne mal verselbstständigt. Alles kein Problem, ich fotografierte ja in RAW und konnte ihn nachträglich noch ändern. Was bei 5-30 Fotos noch nach Sonnenschein und Engelsglocken klingt erweist sich bei einer größeren Menge an „Film“ Material eher als eine Dramaturgie.
contra RAW
Denn wer schon mal bei 500 Fotos den Weißabgleich manuell ändern musste, weiß ganz genau wie viel Zeit da drauf geht. Ist die Belichtung zudem falsch kommt nochmals unendlich viel Zeit dazu. Und die 2 Minuten, die ich mir während der Aufnahme gespart habe bekomme ich auf einmal 20 fach wieder aufgebrummt. Manche würden jetzt sicherlich fragen, warum ich das nicht einfach im Batchmodus der RAW Konverter (Halb)Automatik überlasse. Die Klare Antwort ist, weil diese nicht besser ist als die Kameraautomatik und genauso oft einfach daneben liegt. Ich zahle also für meine Schlamperei während der Aufnahme einen sehr hohen Preis. Ein ausgebildeter Fotograf lacht sich darüber nur ins Fäustchen und zieht seine schadenfrohe Mime auf.
Fazit
RAW ist wie eine Schwimmweste — der Surferjungling trägt sie noch obwohl er eigentlich schon gut surfen kann und mit Sicherheit ein guter Schwimmer ist. Der Pro tragt sie nicht mehr, weil Sie ihm nur lästig ist obwohl er aus der Erfahrung gelernt hat, dass es auch mal gefährlich werden kann und eigentlich genau weiß, dass es mit Weste sicherer ist. Dazwischen gibt’s aber noch die, die zwar ohne Weste raus wollen, sich aber nicht trauen weil zu viele sagen, dass die Weste ein Muss ist. Der wirkliche RAW Workflow sah also fast immer so aus, dass ich 10-20 Fotos optimiert habe und der Rest einfach mit der Konvertierungs-Automatik ins JPG gebannt wurde. Den wirklichen Vorteil der RAW Daten habe ich also nie ausgeschöpft. Wenn ich mal ein Paar Portraits gemacht habe, war die RAW Konvertierung jedes einzelnen Bildes für sich natürlich ein eigenes Kunstwerk und vollends optimiert, bei einer Flut an Bildern — die bspw. viele Hochzeitspaare fast schon voraussetzen — ist diese Vorgehensweise einfach nicht vertretbar. Was ich also gelernt habe ist, lieber etwas mehr Zeit bei der Aufnahme zu investieren und alles richtig zu machen als später die Fehler auszubessern. Kein ernstzunehmender Fotograf würde im Boden versinken, wenn man sich seine JPGs auf der Kamera direkt nach der Aufnahme ausbleichten würde! Hier trennt sich die Spreu vom Weizen. Und ein kleiner Tip am Rande: Zwecks Weißabgleich ist die Graukarte, eine Objektivcap oder zur Not einfach ein weißes Taschentuch vor der Linse wirklich ein Muss, dass jeder dabei haben sollte! Wegen der Belichtung sollte jeder seine Tonwertanzeige in der Kamera zu schätzen lernen! Denn das Monitorbild lügt! Und ein weiteres ganz kleines pro reines JPG ist die Speicherkarte, die auf einmal anstatt nur 200 Aufnahmen 600 oder mehr zusammenhalten kann ;)
Klarstellung: RAW Bearbeitung ist keine Fotomanipulation!
RAW Bearbeitung hat nichts mit Bildbearbeitung zu tun. Es ist eher mit dem Entwickeln des Films und der anschließenden Entwicklung der Positive zu vergleichen. Man konnte (früher) beim Entwickeln der Positive durch die erneute Belichtungszeit des Papiers die Belichtung des Bildes in etwa +-2EV korrigieren, genau wie beim RAW. Du kannst sogar aus einem ASA400 Film einen ASA 800 Film „machen“, in dem Du den 400er Film belichtest wie einen 800er und dann den 400er Film wie einen 800er entwickelst. Zudem konnte beim Entwickeln der Positive mittels Farbfilter die Farbtemperatur angleichen, genau wie beim RAW. usw…. Letztendlich gab es tatsächlich sehr viele Möglichkeiten. Man bekam beim Film eben kein JPG artiges fertiges Artefakt.
Sehe ich genauso. Mit diesem Beitrag wirst du zwar einigen RAW-Fetischisten gewaltig auf die Füße getreten sein, aber wenn du einem Ufologen sagst, dass seine Alien-Religion Humbug ist, beschimpft er dich genauso. Wenn ich mit der D4 RAW und JPEG zusammen aufnehme und in ViewNX2 direkt nebeneinander stelle, dann sehe ich NULL Unterschied. Wer seine Kamera korrekt einzustellen versteht, kommt mit JPEG bestens aus und braucht keine Nachbearbeitung in RAW.